Wir möchten Sie zu Beginn des Artikels zu einer kurzen Übung einladen. Setzen Sie sich dafür aufrecht und in einer bequemen Haltung hin und legen Sie Ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Ihre Ellbogen sind entspannt. Nehmen Sie ihren Atem wahr und auch ihr Gewicht, wie es vom Boden und vom Stuhl getragen wird. Dann streichen Sie mit Ihrer rechten Hand und ganzer Beteiligung dreimal sanft und zugleich bestimmt von ihrer linken Schulter über ihren Oberarm, Unterarm, ihre Hand und über die Finger aus. Wiederholen Sie das Streichen nun mit der linken Hand auf der anderen Körperseite und spüren Sie anschließend die Wirkung der Übung.
Schlusselwörter: Breema, Körperarbeit, Achtsamkeit, Präsenz, Berührung
Ich habe den Eindruck, dass ein Strom von Berührungen und Bewegungen über mich fließt, durch mich fließt. Ich wundere mich, dass sich Hände wie Wasser anfühlen können. Als seine Hände auf meinem Bauch, dem Zentrum meines Körpers, zur Ruhe kommen, fühle ich plötzlich meinen Pulsschlag. Überall haben sich Energie und Wärme ausgebreitet. (eine Teilnehmerin)
Was hat dies mit Breema Körperarbeit zu tun?
Es ist zunächst die Einfachheit. Breema Übungen sind eine Einladung, aus unserer verstandesmäßigen Wahrnehmung der Welt, aus dem Benennen, Vergleichen und Beurteilen, in das Empfinden unseres leiblichen Hier-Seins zu kommen. Der Verstand bekommt bei den Übungen die Aufgabe, einfach zu registrieren wie der eigene Körper atmet, wie sich sein Gewicht anfühlt, seine Haltung, seine Bewegung. Dadurch wird das »Denken in das leibliche Geschehen eingebunden und verstärkt das Gegenwartserleben meines So-Seins. Diese Fähigkeit der (Selbst-) Distanzierung im Sinne einer Dis-Identifikation von Gedanken, Vorstellungen und Konzepten, schafft Freiheit und Offenheit für mich selbst als leibliches Wesen. Ich bin eben mehr als meine Gedanken und Konzepte« [Angermayr 2009, S. 102]. Auch wenn die angestrebte Ausrichtung des Verstandes immer wieder unterbrochen sein wird, sei es durch Abdriften, durch Einwände, durch Beurteilungen, so kann ich dies einfach registrieren, kann innehalten und wieder zu Wahrnehmung meines Atems und meines Gewichts kommen – und dann mit meiner ganzen Beteiligung und ohne Eile mit der Übung fortfahren.
Die Breema-Körperarbeit besteht aus vielzähligen Einzel- und Partnerübungen, die den Übenden die Sicherheit einer klaren Form geben. Die Übungen umfassen Elemente wie Strecken, Lehnen, Streichen, Halten, sowie spielerische, rhythmische Bewegungen, die mit dem ganzen Körper und ohne Kraftanstrengung ausgeführt werden. Das Praktizieren von Breema erfolgt in bequemer Kleidung auf einer weichen Unterlage im Liegen, Sitzen oder Stehen. Bei allen Übungen ist die Qualität der Berührung von entscheidender Bedeutung. Eine Berührung, die von ihrer Qualität sanft und zugleich bestimmt ist, die kein (therapeutisches) Ziel verfolgt, die nichts bewirken, erreichen oder für den andern tun will. Eine Berührung, die akzeptierend mit dem ist, was unmittelbar erfahren wird. In einer solchen erwartungsfreien Begegnung wird eine wohltuende Würdigung füreinander erfahren.
Sowie ich mich mit dem Gewicht und Atem meines Körpers verbinde, erlebe ich meine Präsenz. Dadurch habe ich die Möglichkeit, zu akzeptieren, was ich sehe. Dies überträgt sich ebenfalls auf meinen Übungspartner. (...) Geben und Empfangen finden gleichzeitig statt. Dieses Ziel, mich in meiner eigenen Präsenz zu erleben während ich im Austausch mit dem anderen bin, ist eine reiche Quelle der Erfahrung.« [Gray 2007]
Bei den Partnerübungen, die überwiegend zu zweit durchgeführt werden, gibt es im Wechsel immer einen aktiven Gebenden und einen Bewegten bzw. Berührten. Für den Gebenden ist der empfangende Partner eine Unterstützung für die eigene Präsenz. Die Tatsache, dass Du hier bist reicht vollkommen aus, um mich an Dir zu erfahren – in jedem Moment und an jedem Punkt der Berührung. Diese Betonung auf den Praktizierenden schafft Raum für wirkliche Begegnung. Im präsenten Kontakt löst sich die Unterscheidung zwischen Gebenden und Empfangenden auf, es entsteht eine Atmosphäre von Einfachheit, so als würden wir zusammen auf den kleinsten, doch allumfassendsten, gemeinsamen Nenner kommen: Dass uns Leben verliehen ist! Aus ›Körper berührt Körper‹ wird ›Leben berührt Leben‹. Die Begegnung wird zu einem Spiel des Lebens, zu einem Tanz, der unserem innersten Quell, unserer essentiellen Verbundenheit, entspringt. Wir überlassen es der ›Weisheit des Körpers‹, sich aus der Begegnung das zu nehmen, was er benötigt.
Vom Tage unserer Geburt an auf dieser Erde, gibt es in uns Menschen das tiefe Grundbedürfnis nach einem selbstverständlichen und fraglosen Angenommen- und Geliebt-Sein. In der Liebe, die wir ursprünglich in diese Welt mitbringen, gibt es noch keine Beurteilung, Beschreibung oder Benennung. Darin gibt es kein ›Ich liebe Dich WIE Du bist‹, sondern vielmehr ein: ›Ich liebe Dich, WEIL Du bist. Diese Erfahrung durfte ich in meiner ersten Begegnung mit der BreemaKörperarbeit machen. Mein Hiersein in diesem Körper war ausreichend für das Wiedererleben von Selbstverständnis und Gehalten-Sein. (Pari Schneider).
Zur Unterstützung der eigenen Präsenz dienen dem Breema- Praktizierenden folgende neun kurz formulierte Haltungen [›Prinzipien‹; Schreiber & Berezonsky 2003; Schreiber 2008], auf die im vorausgegangenen Text bereits immer kursiv Bezug genommen wurde:
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Der Körper ist bequem (Wirkliches Bequem-Sein kommt aus einer inneren Haltung, die in Harmonie mit unserer zeitlosen Natur steht).
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Nichts extra (Um unser wahres Wesen, unser Sein, auszudrücken, ist nichts Zusätzliches notwendig).
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Bestimmtheit und Sanftheit (Echte Bestimmtheit ist immer sanft, echte Sanftheit ist immer bestimmt. Wenn wir präsent sind, manifestieren wir auf natürliche Weise gleichzeitig Bestimmtheit und Sanftheit).
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Ganze Beteiligung (Die natürlichste Art sich zu bewegen und zu leben, ist mit voller Beteiligung. Ganze Beteiligung ist möglich, wenn Körper, Verstand und Gefühle sich in einer gemeinsamen Aktivität vereinen).
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Gegenseitige Unterstützung (Je mehr sich unser Wesen, unser Sein, beteiligt, desto mehr sind wir fähig, das Leben zu unterstützen und zu erkennen, dass das Dasein uns unterstützt. Unterstützung geben und erhalten geschieht gleichzeitig).
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Keine Beurteilung (In der Atmosphäre von ›keine Beurteilung‹ können wir uns selbst so akzeptieren, wie wir im Augenblick sind. Wenn wir in die Gegenwart kommen, sind wir frei von Beurteilung).
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Einziger Moment – Einzige Aktivität (Jeder Augenblick ist neu, frisch, ganz lebendig. Jeder Augenblick ist ein Ausdruck unserer wahren Natur, in sich vollendet).
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Keine Eile – Keine Unterbrechung (Im natürlichen Rhythmus der Lebensenergie gibt es keine Eile und keine Unterbrechung).
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Keine Kraftanstrengung (Wenn wir das Konzept vom Getrennt- Sein loslassen, lassen wir auch Anstrengung los).
Diese neun Haltungen bzw. Prinzipien sind wie neun Pforten, die zum Präsent-Sein führen. Ihre Ausrichtung weist von der Vielfalt zur Einheit und von der Komplexität zur Einfachheit. Die Prinzipien sind nicht nur im Breema-Austausch, sondern auch in allen anderen Aktivitäten im Leben anwendbar und unterstützend. Sie werden so zu einer großen Ressource der Selbstfürsorge im Alltag.
Die Breema-Körperarbeit richtet sich an Menschen aller Altersgruppen und wird neben Einzelsitzungen in freien und zielgruppenspezifischen Kursen angeboten, z.B. zur Psychohygiene und Burnout-Prophylaxe bei Krankenpflegern, Lehrern, Psychotherapeuten oder auch flankierend zu psychotherapeutischen Interventionen [Fink 2009; Michaelis & Bachmann 2010; Reddemann 2003, 2012].
Abschließend noch eine kurze Geschichte: Ein kleiner Junge ging mit dem Großvater für einige Tage Ziegen hüten. Zu ihrer Verpflegung nahmen sie Wasser mit, Mehl, Butter, Eier, Honig und so weiter. Abends machte der alte Mann ein Feuer und auf einem Stein seinen Fladen, den er mit Butter und Honig bestrich. Zu seinem Enkel sagte er: »Siehst du, das ist das Mehl, das aus dem Getreide gemacht wird, wofür wir täglich arbeiten. Hier sind die Butter von den Kühen und der Honig von den Bienen, und jetzt streue ich noch ein bisschen Salz auf den Fladen. Das kommt von weit her, es ist sehr wertvoll.« Dann rollte er den Fladen zusammen, aß ihn und fragte den Kleinen: »Na, wie hat es dir geschmeckt?« Der antwortete: »Wieso? Du hast mir doch davon überhaupt nichts abgegeben!«. Worauf der Großvater meinte: »Aber ich habe dir doch alles Wichtige darüber erzählt.« – So ist es letztlich auch mit diesem Artikel. Den Geschmack des Lebens, an den uns Breema erinnern kann, erfahren wir erst, wenn wir das Leben selbst schmecken und nicht nur denken.
*Breema-Körperarbeit: Achtsamkeit und Präsenz in der Berührung von Pari Schneider & Klaus Pfeiffer
Literatur:
Angermayr M. (2009). Dasein-Atmen-Achtsamkeit Existenzanalyse und vorreflexives leibliches Erleben. Existenzanalyse 2009; 26(2):99–104.
Fink M. G. (2009): Breema in der Gesundheits-Pflege. Pflegenetz 2009; 1: 28–29. Gray C. (2007): Breema: A New Relationship with Myself. Awareness Magazine
2007; May/June. [Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser] Michaelis D., Bachmann G., Tscherny M. (2010): Selbstsorge für Lehrer/innen und
Breema®-Prinzipien. In: Michaelis D., Bachmann G. (Hrsg.) Lebenslanges Lernen – freudvoll und integral. Stuttgart: Ibidem Verlag, 2010: 33–84.
Schreiber J., Berezonsky D. (2003): Selbst-Breema Übungen für ein harmonisches Leben, München: Richard Pflaum Verlag, 2003.
(erhältlich über Pari Schneider, Bühl. E-mail: paribreema@t-online.de)
Schreiber J. (2008): Breema und die neun Prinzipien der Harmonie. Oakland: Breema Center Publishing.
Reddemann L. (2003): Einige Überlegungen zu Psychohygiene und Burnout-Prophylaxe von TraumatherapeutInnen. Erfahrungen und Hypothesen. ZPPM 2003; 1(1): 79–85.
Reddemann L. (2012): Imagination als heilsame Kraft. 16. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta, 2012: 92–96.